«Schlaf ist für die Regeneration für Körper und Gehirn sehr wichtig und hat damit einen massgeblichen Einfluss auf den Krankheitsverlauf bzw. die Genesung», sagt Dr. med. Stefan Christ, Leiter der Überwachungsstation (IMC) im Spital Wil. Auf dieser Station werden jene Patientinnen und Patienten betreut, die aufgrund von schweren Erkrankungen oder nach Operationen konstant überwacht und entsprechend Tag und Nacht engmaschig betreut werden müssen. Die damit verbundenen Störungen beeinflussen die Schlafqualität negativ, was zusätzliche Risiken birgt, denn: «Ein gestörter Schlaf-wach-Rhythmus fördert die Entwicklung eines Delirs, also eines Zustands akuter Verwirrtheit, entsprechend ist das Delir-Risiko bei IMC-Patienten verhältnismässig hoch», so Stefan Christ. Aus diesem Grund ist er im Zuge der Neukonzeption der IMC für Erweiterungs-bau an Dr. rer. nat. Albrecht Vorster, Leiter des Swiss Sleephouse des Inselspitals Bern, herangetreten, um möglichst viele Faktoren für eine Verbesserung der Schlafqualität der IMC-Patientinnen und -Patienten in der Planung zu berücksichtigen.
Einfache Massnahmen für mehr Ruhe und mehr Licht
«Es gibt wohl kaum einen Ort, an dem Menschen schlechter schlafen als im Spital», sagt Albrecht Vorster. Das sei wenig erstaunlich, die Umgebung ist ungewohnt, man hat Schmerzen, wird durch andere Patienten gestört und die Essens- und Weckzeiten sind auf den Spitalablauf ausgerichtet. Zudem sei es zu jeder Zeit eigentlich zu laut und tendenziell zu dunkel. «Bei zu wenig Tageslicht wird die innere biologische Uhr geschwächt, was bei älteren und vor allem kranken Personen einen destabilisierenden Einfluss auf den Schlaf hat», erläutert Vorster.
In einer Studie auf der Stroke Unit des Inselspitals Bern hat sich der Schlafforscher denn auch intensiv mit der Frage beschäftigt, wie sich der Schlaf von Patientinnen und Patienten im Spital verbessern lässt. Sowohl zur Lärmreduktion als auch für eine Verbesserung der Lichtverhältnisse können infrastrukturelle Anpassungen ergriffen werden, so zum Beispiel "schallschluckende" Bilder oder Vorhänge, wie sie auch in Hotels ergriffen werden sowie spezielle Jalousien, welche Tageslicht an die Raumdecke lenken, aber ein Blenden verhindern oder auch der Einsatz von Tageslichtlampen.
«Vieles lässt sich auch ohne Infrastrukturanpassungen bereits positiv beeinflussen», so Vorster. So hat das bewusste Öffnen von Rollläden am Morgen oder der Einsatz von Schlafmasken in der Nacht Einfluss auf den Erhalt des Biorhythmus. Für eine Lärmreduktion sorgt zum Beispiel das Bereitstellen von Ohrenstöpsel oder das konsequente Schliessen der Türen zum Schutz vor Geräuschen auf den Korridoren. So genannte «Quiet Times», in denen die Patienten nur in absolut lebensnotwendigen Situationen gestört werden, sorgen für allgemein weniger Störungen. Für all dies sei die Sensibilisierung der Mitarbeitenden zentral.
Umsetzung auf der IMC Wil
Mit den Pflegemitarbeitenden der IMC im Spital Wil wurden denn auch genau solche Ideen für Optimierungen entwickelt. Auch bauliche Massnahmen wie z. B. biodynamisches Licht oder lärmschluckende Bau- und Ausstattungselemente wurden bei der Planung der neuen IMC bereits berücksichtigt. Gerade die Lichtplanung wurde dabei auch auf die Arbeitsräume ausgedehnt, sodass auch positive Auswirkungen auf den Biorhythmus der Pflegenden, die Schichtarbeit leisten, zu erwarten sind.
«Ich bin überzeugt, dass wir zum einen mit der neuen IMC-Infrastruktur und zum anderen mit ein-fachen Mitteln der Verhaltensänderung eine deutliche Verbesserung erzielen können und damit auch im Bereich der Delir-Prophylaxe einen wichtigen Schritt bezüglich der Versorgungsqualität unserer Patienten machen können», ist Dr. med. Gabriela Keller überzeugt. Sie wird per Anfang Juli die Ärztliche Leitung der IMC und damit auch die Verantwortung für die Umsetzung der Mass-nahmen als Nachfolgerin von Stefan Christ übernehmen. Damit die Wirkung der Massnahmen überprüft werden kann, wurden von Albrecht Vorsters Team vor einigen Monaten im Sinne einer Bestandesaufnahme auf der heutigen IMC Lärm- und Lichtmessungen durchgeführt. Diese werden nach Bezug der neuen IMC und einer ersten Erfahrungsphase wiederholt. «Je nach Ergebnis können wir dann weitere Anpassungen prüfen», so Gabriela Keller.